Haushaltsrede 2023

Sitzung des Stadtrats am 18. April 2023

Haushaltsrede der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

die dunklen Wolken über dem Haushalt der Stadt Herzogenrath verdichten sich: ein ausgeglichener Haushalt ist in absehbarer Zeit unrealistisch – im Gegenteil: es droht wieder die Situation, dass es zu einer Entnahme aus der Allgemeinen Rücklage von mehr als 5% in zwei aufeinanderfolgenden Jahren kommt und somit ein Haushaltssicherungskonzept aufgestellt werden muss.

In dieser Lage befinden sich viele Kommunen. Dafür gibt es seit vielen Jahren systemische Ursachen: die grundsätzlich mangelnde Finanzausstattung, die steigenden Sozialausgaben und natürlich die fortgesetzte Verletzung des Konnexitätsprinzips.

Den Kommunalparlamenten wird viel Wertschätzung entgegengebracht. So bezeichnete Bundespräsident Steinmeier die Städte und Gemeinden mal als „Heimathafen unserer Demokratie“.

In der realen Politik muss allerdings oftmals festgestellt werden, dass die Kommunen das letzte Glied in der Hackordnung sind und vieles ausbaden müssen, was auf höheren Ebenen entschieden wird. Das engt die Gestaltungsspielräume erheblich ein.

Wie hat die Fraktion Bündnis 90 / Grünen zusammen mit ihrem Kooperationspartner SPD diese Gestaltungsspielräume bis jetzt genutzt? Die Wahlperiode ist halb rum und das ist ein guter Zeitpunkt, um eine Zwischenbilanz zu ziehen.

Sie werden sehen, das wird nicht nur eine Jubelbilanz. In vielen Bereichen haben wir eine Menge bewegen können. In anderen Bereichen können wir leider bis heute nicht die erhofften Resultate vorweisen.

Aber fangen wir damit an, was auf der Habenseite steht.

Bei der städtischen Stellungnahme zum Entwurf des Regionalplans wurde auf alle Flächen, die bereits Landschaftsschutzgebiete sind, als Potentialflächen verzichtet. Damit wird eine Versiegelung von bisher unbebauten Flächen signifikant eingeschränkt. Wir konnten bei der Größe der möglichen Entwicklungsflächen deutlich unter den Vorstellungen der Verwaltung bleiben.

Um den Fläschenverbrauch zu stoppen, setzen wir auf Innenstadtverdichtung, wobei allerdings weiterhin eine hoher Grünflächenanteil erhalten bleiben soll. Um die Innenverdichtung der Stadt mit geeigneten Maßnahmen zu unterstützen, wurde ein Baulückenkataster erstellt, was nun endlich seit dem 1. März 2022 online ist.

Im Umwelt-Bereich sehen wir die umfassenderen Bilanz-Probleme und haben uns auf den Weg gemacht sie zu lösen. Dazu haben wir folgende Initiativen gestartet:

  • Klimawirkung als Bestandteil von Verwaltungsvorlagen
  • Schutz des Grundwassers vor Verunreinigungen
  • Hochbeete in allen drei Stadtteilen
  • Förderung von Klein-PV-Anlagen
  • Trinkbrunnen an öffentlichen Plätzen
  • Klimaneutralität bis 2030
  • Erweiterung der Klimaneutralität zur Umweltneutralität
  • Entsiegelung und/oder Wiederverwendung von Flächen
  • Fassadenbegrünung
  • Beitritt zum Netzwerk Klimafolgenanpassung
  • Beitritt zum Konvent der Bürgermeister für Klima & Energie
  • Umweltverträglicher Einkauf
  • Artenvielfalt und Insektenschutz
  • Electric Only Konzept für das neue Hallenbad

Auch im Verkehrsbereich haben wir eine Vielzahl von Initiativen gestartet. Stichpunkte hierzu:

  • Fahrradaktionsplan
  • Verkehrssicherheit stärken, Tempo 30 flächendeckend
  • Herzogenrath Tarif
  • Grenzüberschreitender Schienenverkehr
  • Ausbau Carsharing mit Ladestationen
  • Fahrradverkehr gegen Einbahnrichtung Josefstraße
  • Sichtbarkeit von Absperrpollern
  • Reallabor Kleikstraße
  • Verkehrsberuhigung Eygelshovener Straße
  • Zukunftsorientiertes Konzept zur Mobilitätswende / Mobilitätsmanagement
  • Liste von Verkehrsknoten für Trixi-Spiegel
  • Instandsetzung Radweg Geilenkirchener Straße
  • Verkehrsversuch Heydenstraße
  • Verkehrsberuhigung um den Kohlscheider Markt
  • Fördermöglichkeiten Fahrradabstellanlagen / Mobilstationen
  • Umgestaltung Knoten L232 Dornkaulstraße, Kaiserstraße
  • Areale für sichere Fahrradparkanlagen
  • Verlängerung von Abendfahrten Linie 21, 27, 54
  • Flächendeckendes Netz von E-Lade-Stationen

Kommen wir aber zu den Bereichen, in denen es bis jetzt nicht so gut gelaufen ist. Hier sind leider die so wichtige Windkraft und der Radverkehr zu nennen.

Der Genehmigungsprozess für eine Windkraftanlage ist ein wahres Bürokratiemonster und dauert Jahre. Obwohl wir Grüne auf allen Ebenen von der Kommune bis zum Bundestag an den Mehrheiten beteiligt sind, ist es uns bis jetzt nicht gelungen, hier im ausreichenden Maß die Bremsen zu lösen. Das haben wir uns einfacher vorgestellt!

Obwohl jedem klar sein muss, dass es beim Klimawandel nicht 5 vor 12 ist, sondern 5 nach 12, dauern die politischen Entscheidungsprozesse oftmals quälend lange. So werden wir das dringend notwendige Ziel, 2% der Landesfläche für Windkraft zu nutzen, nicht mit der erforderlichen Geschwindigkeit erreichen.

Auf diesen Missstand haben wir auf kommunaler Ebene kaum Einfluss. Anders sieht es im Verkehrsbereich aus, wo es wesentlich besser laufen könnte und müsste. Hier ist besonders der Bereich Radverkehr zu nennen. Trotz einer Vielzahl von Anträgen und detaillierter Mängellisten des ADFC passiert sehr wenig. Auf dem Papier ist Herzogenrath eine fahrradfreundliche Stadt, aber die Realität sieht an vielen Stellen anders aus.

Die Beschlusskontrolle des MSO-Ausschusses nimmt abenteuerliche Ausmaße an, diverse Anträge sind viele Jahre alt und bis heute nicht abschließend bearbeitet. Dabei bleiben die großen und wichtigen Themen auf der Strecke. Hier möchte ich exemplarisch den Fahrradaktionsplan oder die Radvorrangrouten nennen.

Aber zurück zum Haushalt 2023.

Wir haben nun die dritten Haushaltsberatungen in der laufenden Wahlperiode erlebt. Die Vorbereitungen der ersten beiden Haushaltsberatungen sind auf unterschiedliche Art und Weise suboptimal gelaufen, weil der Informationsfluss zwischen der Mehrheits-Kooperation und der Opposition nicht gestimmt hat. Da haben wir sicherlich auch Fehler gemacht.

Ich habe den Eindruck, dass der Dialog zwischen den Fraktionen diesmal deutlich besser geklappt hat und dass wir in vielen Punkten in einen konstruktiven Austausch gekommen sind. Im Resultat hoffe ich, dass der anstehende Haushaltsentwurf mit großer Mehrheit vom Stadtrat beschlossen wird.

Es ist allerdings völlig klar, dass die Gefahr, in ein Haushaltssicherungskonzept zu rutschen, sehr real ist. Um diese Verschiebung der Lasten auf zukünftige Generationen zu vermeiden, möchten wir noch vor Einbringung des Haushalts-Entwurfs für 2024 – angelehnt an die Grundsätze eines freiwilligen Haushaltssicherungskonzeptes – Maßnahmen und Beschränkungen für die zukünftigen Haushalte zu beschließen, die dafür sorgen, das strukturelle Defizit deutlich zu verringern. Hierzu sind wir auf die Zuarbeit der Verwaltung angewiesen.

Meine Damen und Herren,

der vorgelegte Haushalt setzt grundsätzlich die richtigen Schwerpunkte. Die Verwaltung hat alle Fragen von unserer Seite umfassend beantwortet, eine Reihe von Änderungs- und Ergänzungsvorschlägen wurde eingearbeitet, wofür wir uns herzlich bedanken.

Auch bei der SPD-Fraktion als unserem Kooperationspartner möchte ich mich ausdrücklich für die konstruktive und wertschätzende Zusammenarbeit bedanken.

Der Haushaltssatzung für das Jahr 2023 in der heute vorgelegten Form stimmen wir zu.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Dr. Bernd Fasel – Fraktionsvorsitzender

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