Gestern, am 12.06.2020 war der Internationale Tag gegen Kinderarbeit. Fast alle Staaten der Welt haben sich 1999 auf das Ziel geeinigt, alle Formen der Kinderarbeit bis zum Jahr 2025 abzuschaffen (Übereinkommen 182 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 17. Juni 1999). Doch was ist genau unter Kinderarbeit in diesem Sinne zu verstehen? Es geht hier nicht darum, dass Kinder im familiären Haushalt kleine Aufgaben übernehmen oder durch Gelegenheitsarbeiten ihr Taschengeld aufbessern.
Bei der weltweit geächteten Kinderarbeit handelt es sich um Tätigkeiten, für die Kinder zu jung sind, die ausbeuterisch oder gefährlich sind, ihre körperliche bzw. seelische Entwicklung schädigen oder sie am regelmäßigen Schulbesuch hindern.
Die Entwicklung in den letzten Jahren
Die gute Nachricht: Das Übereinkommen, flankiert durch Hilfsprojekte der Kinderhilfsorganisation, hat Wirkung gezeigt. Insgesamt ist die Zahl der Kinderarbeit in den vergangenen 20 Jahren leicht zurückgegangen, mit regionalen Unterschieden. Insbesondere im Bereich Asien, Pazifik und auch in Lateinamerika hat die Kinderarbeit abgenommen. Allerdings hat sich der Rückgang inzwischen verlangsamt, und in manchen Regionen ist auch wieder ein Anstieg zu verzeichnen. Wachsende Zahlen an bewaffneten Konflikten und Naturkatastrophen im Nahen Osten und in Ländern südlich der Sahara lösen Elend und Vertreibung aus. Kinder werden wieder vermehrt als billige Arbeitskräfte eingesetzt. Oft fehlen auch durch Tod oder Trennung die Haupternährer, die durch die Kinder ersetzt werden müssen.
In ganz besonderem Maße sind Kinder, die mit ihren Familien oder allein auf der Flucht sind gezwungen, sich und ihre Familien durch Arbeit zu versorgen. Laut UNICEF sind sie oft erst fünf oder sechs Jahre alt.
Besondere Aktualität erhält das Thema durch den Lockdown in der Corona-Krise. In Indien, dem Land mit den meisten Kinderarbeitern arbeiteten vor der Corona-Krise bereits 40 Millionen Kinder. 90 Prozent der indischen Arbeiter und Arbeiterinnen arbeiten im informellen Sektor, ohne Vertrag, ohne soziale Absicherung wie etwa Kranken- oder Arbeitslosenversicherung. Meist als Tagelöhner, waren sie nicht in der Lage, Rücklagen zu bilden. Bereits nach wenigen Tagen Lockdown fielen viele in eine Hungersnot, und Schulkinder fingen überall an zu arbeiten.
Was ist dagegen zu tun?
Macht es Sinn, die Kinderarbeit generell zu verbieten? Die beiden Kinderhilfsorganisation UNICEF und Terre des Hommes gehen mit dieser Frage sehr differenziert um. Wenn Kinder beispielsweise in Textilfabriken oder bei der Ernte in der Landwirtschaft nicht mehr eingesetzt werden, sind sie gezwungen, in noch härteren Arbeitsgebieten wie im Steinbruch zu arbeiten oder gar in die Kinderprostitution abzurutschen. Kinder, die einfach entlassen werden, erhalten keine Hilfe, und ein Schulbesuch wird aufgrund der noch größeren Not erst Recht nicht möglich. Sinnvoller ist es, durch Hilfsprojekte Umstrukturierungsmaßnahmen zu unterstützen. Kompromisslösungen sorgen dafür, dass Schulbesuch für die Kinder möglich wird, ohne die Arbeit ganz aufgeben zu müssen. Die Arbeitgeber, die mit diesen Hilfsprojekten kooperieren, verpflichten sich, die Arbeits- und Gesundheitsbedingungen in ihren Betrieben generell, vor allem aber für die Kinder zu verbessern.
Vor allem müssen die Löhne für die Erwachsenen verbessert werden, sodass sie nicht mehr gezwungen sind, ihre Kinder zur Arbeit sondern stattdessen in die Schule zu schicken.
Um Kinderarbeit zu beenden, sind in erster Linie die jeweiligen Regierungen in der Pflicht. Dabei reichen Gesetze gegen Kinderarbeit allein nicht aus. Das wirksamste Mittel gegen Kinderarbeit ist und bleibt die Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit sowie die Verbesserung der Bildungschancen aller Kinder. Auch Unternehmen tragen bei diesem Thema eine große gesellschaftliche Verantwortung. Und damit sind wir dann angekommen bei den Möglichkeiten, wie wir uns hier in der westlichen, gut abgesicherten Welt bei der Bekämpfung dieses Missstandes engagieren können. Wir als Verbraucher können und müssen bei unseren alltäglichen Einkäufen wie auch bei größeren Anschaffungen stets kritisch hinterfragen, unter welchen Bedingungen die Produkte, die wir kaufen, entstanden sind.
In folgenden Produkten kann laut Terre des Hommes Kinderarbeit stecken:
Autos, Bleistifte, Blumen, Computer, Elektronik, Feuerwerkskörper, Gewürze, Glas, Laptops, Kleidung, Diamanten, Heimtextilien , Grabsteine, Haselnüsse, Lederbälle, Edelsteine, Kaffee, Kakao, Lederwaren, Natursteine, Kosmetik, Korbwaren, Saft (Smoothies), Schnittblumen, Schuhe, Schokolade, Smartphones, Spielzeug, Streichhölzer, Tabak, Tee, handgeknüpfte Teppiche
Oft arbeiten Kinder auch als Dienstleister in der Touristik und Gastronomie, in Haushalten und im Handel, als Müllsammler und Gepäckträger.
Wie finden wir Produkte, die frei von Kinderarbeit sind?
Es ist für uns Verbraucher nicht leicht, die Produkte im Zusammenhang mit ausbeuterischer Kinderarbeit zu erkennen, zumal Kinder nicht immer in der Endproduktion, sondern auch in der Rohstoffgewinnung und in Zulieferbetrieben eingesetzt sind. Lieferketten sind für uns nicht nachvollziehbar. Es ist aber wichtig, auf fair produzierte und fair gehandelte Produkte Wert zu legen. Dabei können wir uns orientieren an Waren und Dienstleistungen, die mit entsprechenden Fairtrade- und Sozialsiegeln ausgezeichnet sind.
Beispiele für Fairtrade- und Sozialsiegel:
Fairtrade, Gepa, El Puente, Kleinbauernsiegel SPP, Naturland Fair, dwp, Fair for Life, Rainforest Alliance, Transfair, GoodWeave, Xertifix, FairStone, Rugmark, Banafair, EZA, Lamu Lamu, Fair wear, BioRe, Labelstep, Naturtextil best u.a.
Diese Label geben uns keine Sicherheit, dass deren Produkte frei von Kinderarbeit sind. Sie bieten uns aber Anhaltspunkte für ein bewusstes und verantwortungsvolles Verbraucherverhalten.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass es nicht damit getan ist, Kinderarbeit generell zu verbieten und zu verteufeln. Viel wirksamer ist es, die Lebenssituationen der Kinder und ihrer Familien zu verbessern und für soziale Gerechtigkeit und vor allem auch gute Bildungschancen einzustehen.